Die Werke Hans Jürgen Simons stehen in einem Kontext, der die Kunst des 20. Jahrhunderts mitgeprägt hat: Die Benutzung von Printmedien in Kunstzusammenhängen. Als Massenware aus dem Alltag fanden Zeitungsseiten Einzug nicht nur in die Kubistischen Collagen von Picasso und Braqué, sondern auch in die Montagebilder der Dadaisten. Künstler wie Kurt Schwitters bedienten sich der freien, collagierenden Bildgestaltung und klebten Zeitungen und Zeitschriften als Synonyme für die Lebensrealität in einer Informationsgesellschaft und das Daseinsgefühl in den Großstädten in ihre Kunstwerke.
Nach dem Weltkrieg lenkt die Kunst des Nouveau Réalisme sowie der Concept Art und der Pop-Bewegung mittels Einbeziehung von Printmedien den Blick auf Realität und Alltag. Zeitungen gaben etwa Warhols Kunstwerken den Nimbus eines unverbrüchlichen Zeugnisses der Realität.
Heute arbeiten allerdings wenige Künstler weltweit so dermaßen kontinuierlich und ausschließlich wie Hans Jürgen Simon mit dem Basismaterial Zeitung. Simon geht es nicht um Inhalte, es sind die Gestaltungsmerkmale und Farbqualitäten, die ihn als Künstler interessieren. Das bei industrieller Fertigung sich Wiederholende, das Serielle, sind die eigentlichen Katalysatoren der Kunst von Hans Jürgen Simon. Die klare und reduzierte Formensprache des Künstlers bezieht sich ausschließlich auf dreidimensionale Arbeiten, wie Wand-, Boden oder Raumobjekte. Die Materialcharakteristik weißt subtile, tastbare Qualitäten auf. Dynamische und kraftvolle Passagen wechseln in seinem Oeuvre mit anmutigen, zart-filigranen und schwingenden Linien. Bei Simon wird das Massenmedium Zeitung über Deformations- und Transformationsprozesse zum Metamedium Kunst
Fantasie, Ausdruckskraft und visueller Ideenreichtum sind die wesentlichen Kriterien, die Simons Kunst hervorgebracht haben. Seine Arbeiten sprechen den Betrachter durch spannende Wechselwirkungen an. Ruhe und Bewegung kontrastieren spannungsvoll. In Tektonik und Strukturierung der Oberfläche nimmt Simons Werk auf die großen Metaphern der Natur Bezug – auf geologische Prozesse der Verwitterung, Erosion und Sedimentation, auf das Formenspiel im Rhythmus der Elemente von Wasser und Wind und auf das belebende Spiel von Licht und Schatten.
In dem sie in spannungsvoller Interaktion mit Licht, Schatten und Raum wirken, entfalten die Kunstwerke von Hans Jürgen Simon eine besondere atmosphärische Präsenz, sinnliche Wirkung und Strahlkraft, die nicht zuletzt auf die Verwandtschaft zu architektonischen Gestaltungsprinipien und –formen zurückzuführen sind. Aus der Klarheit der Komposition von Simons Werken spricht auch eine präzise und moderne Architektursprache.
André Lindhorst, 2015