AArtist-In-Residence | Ein Programm des Auswärtigen Amtes in Zusammenarbeit mit dem Landesverband Berliner Galerien (lvbg)
Der chinesische Künstler Walter Yu – Maler, Fotograf, Filmemacher und Schriftsteller – reagiert in seinem AArtist-in-Residence-Konzept mit Tusche- und Pinselarbeiten sowie mit Keramiken auf das gegenwärtig kontrovers diskutierte Phänomen weltweiter Migration und Wanderungsbewegungen. Derzeit (2017) sind mehr als 65 Millionen Menschen auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten und Verfolgung.
Wichtiger Auslöser war für diese Thematik, wie er selbst sagt, „mein Befremden und meine Irritationen im Umgang mit dem Thema Migration in Europa“.
Das Motiv der Wanderung (auch in der Fiktion oder der Fantasie) hat in der chinesischen Malerei ebenso wie in der chinesischen Literatur und Lyrik eine wichtige Tradition.
In seinem Konzept lässt sich der Künstler von der Literatur und Lyrik, aber auch von der Bildkunst aus ganz unterschiedlichen Epochen und Kulturen inspirieren. So spielen chinesische Gedichte aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. ebenso eine Rolle, wie die Reisetagebücher eines deutschen Soldaten aus dem zweiten Weltkrieg – aber auch bekannte Werke aus der Kunstgeschichte, wie etwa Théodore Géricaults „Das Floß der Medusa“ von 1819.
Das Thema der gegenwärtigen Flucht- und Wanderungsbewegungen wird Walter Yu in Bezug zu fünf historischen Reisen, darunter Missions-, Forschungs- und Entdeckungsreisen stellen.
- Moses führt die Israeliten aus der Knechtschaft Ägyptens
(2. Buch Mose / Exodus). Ca. 1446 oder 1250 v. Chr.
- Die Reisen des chinesischen buddhistischen Mönchs Faxian, der angeblich seit 399 dreißig Länder durchwanderte und 412 nach Indien reiste, um den Buddhismus zu studieren und buddhistische Texte nach China zu bringen.
- Die Forschungsreisen des Muslimen Ibn Battuta, der im 14. Jahrhundert mehr als 120.000 km durch die gesamte islamische Welt und darüber hinaus zurücklegte.
Die Reisen des größten chinesischen Seefahrers Zheng He, der als Befehlshaber der chinesischen Expeditionsflotte zwischen 1405 und 1433 sieben große Expeditionen in den Pazifik und den indischen Ozean unternahm.
- Die Reise des italienischen Seefahrers Christoph Kolumbus, der im Jahr 1492 Amerika entdeckte.
Walter Yus künstlerische Auseinandersetzung mit dem übergeordneten Thema Wanderung changiert zwischen Apokalypse und Utopie und zwischen Wirklichkeit, Fiktion und Vision. Dieser Aspekt kommt auch in seinen Keramik-Skulpturen, die der Künstler für das Projekt plant, zum Ausdruck. Sie stehen ebenfalls in Bezug zur Literatur, zumal sich Walter Yu von fantastischen Erzählungen des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges hat anregen lassen – beispielsweise „Die Bibliothek von Babel“, „Die zwei Könige und ihre zwei Labyrinthe“ und „Die Unsterblichen“
André Lindhorst, ehem. Direktor Kunsthalle Osnabrück